'Geschafft'. Zufrieden legte ich die Tastatur beiseite. Zeit mal wieder etwas frische Luft zu schnappen. Es war Samstag, der 19. Juni. Es war ein guter Tag und sollte ein noch besserer werden. Endlich hatte mein Avatar in SWG seinen zusätzlichen Jedi-char erhalten. Ich war nicht erste, der dies geschafft hatte, aber immerhin einer von wenigen. Matthias hatte sich per SMS gemeldet. Er hatte mich gefragt, ob ich heute Abend mit nach Schwetzingen kommen würde. Es war mittlerweile zu einem angenehmen Ritual geworden, den Samstag auf diese Art zu verbringen. Man ging erst zusammen ins Kaffeehaus, dann ins Brauhaus und später in die Cubar. Währenddessen wurden die Neuigkeiten der Woche ausgetauscht. In dieser Woche war Rolf dabei - ein Freund von Matthias, den ich leider nur flüchtig kannte.
Wir trafen uns gegen zehn im Kaffeehaus. Matthias und ich fuhren gemeinsam hin und setzen uns an einen Tisch rechts vom Eingang. Rolf stieß später hinzu. Das Kaffeehaus ist samstags immer ziehmlich voll. Wir hatten Glück, dass wir so weit vorn einen Tisch bekommen hatten. Ich ließ meinen Blick in die Runde schweifen. An der Bar gegenüber saßen zwei Henry Wichtigs, die um eine Dame kämpften. Der Ausgang dieses Duells schien noch offen. Weiter rechts im Raum saßen drei Mädels an einem Tisch. An den anderen beiden Tischen befanden sich Pärchen, die entweder schon zusammen herkamen oder sich erst kürzlich gefunden hatten.
Endlich kam die Bedienung. Wir bestellten alle jeweils einen Kaffee und begangen über dies und das zu reden. Ich hatte einen fast freien Blick auf den Mädel-only Tisch. Die linke von den Dreien schaute gerade herüber, konzentrierte sich jedoch sofort wieder auf ihre Freundinnen, als sie sah, dass ich sie bemerkt hatte. Die Art, wie sie dies tat, zeigte mir, dass sie ein selbstbewußter Mensch war. Die Konzentration war jedoch nur gespielt. Im Laufe des Abends schaute sie in immer kürzer werdenen Abständen mit einem neugierigen Lächeln zu mir herüber - und ich lächelte zurück.
'Soll ich hinüber gehen? Sie nach Ihrer Telefonnummer fragen? Wenn es schief geht, wäre ich die Lachnummer für sie und ihre Freundinnen.' Zweifel befielen mich. Ich wußte, ich muß auf den richtigen Augenblick warten. Just in diesem Moment kam er. Ihre beiden Freundinnen standen auf, um mal zusammen um die Ecke zu gehen. Das war meine Chance. Sobald sie außer Sichtweite waren, stand ich ebenfalls auf und ging ich langsam, aber selbstbewußt hinüber.
Am Tisch angekommen, setzte ich mein bestes Lächeln auf und sagte hallo. Wir kamen etwas ins Gespräch. Irgendwann fragte ich sie, ob sie hier aus der Gegend stamme, was sie verneinte. Nicht gut. Da gerade Fußball-EM war, fragte ich als nächstes, ob sie wüßte wie Tschechien gegen Holland gespielt hat. Der Flirt begann eine negative Wendung zu nehmen. So konnte das ja nichts werden. Sie antwortete, dass sie es nicht wüßte, da das Spiel noch lief, als sie losfuhr. Sie fragte mich, ob ich Fußball mag. Ich antwortete wahrheitsgemäß mit "Etwas, Länderspiele ja, aber sonst eher nicht.". Das erregte ihr Mißfallen, welches Sie auf direkte Art und Weise deutlich zum Ausdruck brachte. Naja, das nennt man dann wohl freundliche Abfuhr. Da die Zeit knapp wurde (ihre Freundinnen würden bald wieder auftauchen), entschloß ich mich, wieder zu Matthias und Rolf zurück zu gehen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, mit Fußball daher zu kommen. Okay, es war Fußball-EM, aber die Chance, mit diesem Thema erfolgreich eine Frau anzusprechen ist ja wohl schlechter, als von einem Durchschnittsmann Auskunft zu den Verwandtschaftsbeziehungen der europäischen Königshäuser zu erhalten.
Komischerweise funktionierte es. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben und verabschiedete mich mit den Worten "Wir sehen uns bestimmt mal wieder.", als sie mich fragte, ob wir nicht unsere Telefonnummern austauschen könnten. Ich schnaufte innerlich vor Erleichterung tief durch. Wie das Schicksal es wollte, war diese Frau hier nicht nur hübsch und selbstbewußt, sondern auch ein ausgesprochen großer Fußballfan. Wir tauschten unsere Telefonnummern aus und verabschiedeten uns. Danach ging ich wieder zu Matthias und Rolf zurück, die mir umgehend bescheinigten, dass sie niemals den Mut zu so einer Aktion gefunden hätten.
Der Rest ist schnell erzählt. Noch in der gleichen Nacht schickte ich ihr eine SMS aus meinen After-Date Vorlagen im Handy. Schnulzig, aber wirkungsvoll. ;) Schließlich wollte ich sie wiedersehen und wendete von daher erprobte Mittel an. Wir verabredeten uns zum nächten Freitag in Schwetzingen. Beim Abschied umarmten wir uns innig. Das nächste Date war zusammen mit Kollegen im ZKM in Karlsruhe. Da gab es bereits den ersten Kuß. Bis zu diesem Zeitpunkt war es noch ein Flirt, ein Abenteuer sozusagen. Doch über die nächsten Wochen wuchs aus anfänglicher Zuneigung echte Liebe heran - und zwei Jahre später während Fußball-WM(!) war unsere Beziehung so gefestigt und eingespielt, dass wir uns dazu entschlossen, endlich zu heiraten.